REVIEW
Max Payne 3
„The way I see it there’s two types of people, those who spend their lives trying to build a future and those who spend their lives trying to rebuild the past. For too long I’d be stuck in between, hidden in the dark. What was I really doing walking in there with my bad haircut and ridiculous shirt?“ ~Max Payne
Fast neun Jahre ist es her,
seit Max Payne seine selbstzerstörerische zynische Ader ausleben
durfte. Und diese Jahre sieht man ihm auch an. Geplagt von Trauer,
Schuldgefühlen, Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit fristet er
sein jämmerliches Dasein in New York. Doch das Schicksal meint es
gut mit Max. Und so verschlägt es unseren Film noir-Helden als
Bodyguard einer gutsituierten Familie, in seinem neuen Abenteuer ins
sonnige Sao Paulo, Brasilien. Doch Max Payne wäre nicht Max Payne,
wenn der Ärger in nicht auch über die Grenzen hinweg folgen würde
und so dauert es nicht lange bis wieder die Hölle über ihn
hereinbricht.
Film noir und die Sonne
Rockstar Games, die sich für
die Entwicklung dieses nunmehr dritten Teils der Max Payne Saga
verantwortlich zeigen, erzählen eine Geschichte um Verrat, Schuld
und Sühne. Natürlich mit einer gehörigen Prise Sex und Gewalt, vor
allem Gewalt. Verpackt in die serientypischen Rückblenden, wird das
Ganze mit diversen audiovisuellen Effekten dem geneigten Spieler dann
vorgetragen. So weit erwartet, doch der Schritt das Setting vom
dunklen unwirtlichen New York nach Brasilien zu verlegen, klingt im
ersten Moment merkwürdig. Und ja, Max Payne 3 ist deutlicher heller
als seine Vorgänger, aber, wie bekannt, das Leben in Sao Paulo hat
auch seine Schattenseiten. Nach anfänglicher Skepsis konnte mich der
Schauplatz doch überzeugen, da Rockstar beide Seiten einer
divergenten Gesellschaft glaubhaft abbildet. Man sieht das
überschwengliche Jetset-Leben der brasilianischen Elite genauso wie
das elende, harte Dasein in den Favelas.
Die Favelas von Sao Paulo sind klasse in Szene gesetzt. |
Mehr Charakterstudie als packende Story
Max selber ist eigentlich
die Story. Seiner Entwicklung als Charakter gilt das Hauptaugenmerk,
welche durch seine äußerliche Metamorphose und vor allem seine
ständigen Monologe vorangetrieben wird. Und es sind wirklich ein
paar großartige One-Liner darunter. Eigentlich ist es eine relativ
simpel gestrickte Geschichte, die aber durch die komplexe
Erzählstruktur künstlich aufgebläht wirkt und in den zahlreichen
Zwischensequenzen keinen richtigen Fluss aufkommen lassen will. Das
liegt wohl auch daran, dass kein anderer Charakter außer dem
Hauptprotagonisten wirklich entwickelt oder herausgearbeitet wird und
somit verkommen sie am Ende zu bloßen Klischees. Auch finde ich die
Sequenzen teilweise extrem überproduziert: Grafikfilter, Split
Screens, Weitwinkel, Close Up, etc. Es ist einfach zu viel
des guten und ist letztlich nicht mehr wie ein Gimmick.
In bestimmten Situation wird die Bullet Time automatisch aktiviert. |
Run & Gun oder Covershooter?
Aprops Gimmick. Natürlich hat es Max
Trademark, die Bullet Time, wieder ins Spiel geschafft. Auf
Knopfdruck verlangsamt ihr die Zeit um so, den sonst überwältigenden,
Mobs an Feinden Herr zu werden. Ihr seit stets zahlenmässig deutlich
unterlegen und seht euch einer ziemlich aggressiven KI
gegenüberstehen. Doch das gewohnte und durch Bullet Time und
Shootdodge, eine Art Zeitlupensprung, ermutigende Run & Gun
Gameplay der früheren Teile kommt oft an seine Grenzen. Schuld daran
ist die Implementierung eines Deckungsystems, von dem auch eure
Gegner rege Gebrauch machen und so kommt es nicht selten vor, dass
ihr per Shootdodge losspringt um einen coolen Kill auszuführen, doch
euer Gegenüber einfach in der Deckung verharrt bis ihr auf den Boden
der Tatsachen landet um euch dann mit Kugeln zu durchsieben. Übrigens
gibt es kein selbstregenerierendes Gesundheitssystem, sondern ihr
müsst in kritischen Situationen Gebrauch von Painkillern machen. Das
macht zwar storylinemässig Sinn, aber nimmt halt auch etwas vom
Spielgefühl. Ich meine, das Spiel vermittelt dir folgendes: Hier ist
die Bullet Time, nimm dir zwei geile Knarren in beide Hände, mach
ein paar coole Kills und hab Spaß! Aber immer wieder verkommt dieses
Prinzip zur reinen Deckungsschlacht, da ihr oft an teilweise
unfairen, teilweise nervenden Trial & Error-Passagen hängen
bleibt. Auch die Checkpoints sind nicht kohärent optimal plaziert.
Oft wird man gezwungen defensiver zu agieren. |
Repetitives Gameplay
Natürlich ist bei einem Shooter, wie
Max Payne 3 einer ist, naturgemäß das Gameplay äußerst repetitiv.
Es geht nun mal ihn erster Linie darum, die bösen Buben möglichst
stilvoll ins Jenseits zu befördern. Aber man hätte schon die ein
oder andere Gameplayauffrischung in den Verlauf, der ca. 12 bis 15
Stunden dauernden linearen Kampagne einbauen können um die
Motivation aufrecht zu erhalten. Selbst die hier und da eingestreuten
Bullet Time-Setpieces und Rail Shooter-Passagen können daran nichts
ändern. Es gibt zwar einen Arcademodus, sammelbare Objekte, eine
Highscore-Liste und diverse Herrausforderungen, sogenannte Grinds, à
la „Töte so und so viele Gegner per Headshot, per Shootdodge, mit
der und der Waffe, etc.“ , aber ich persönlich verspürte nach den
Credits keine Lust auf einen zweiten Durchgang. Dafür ist das
Gameplay einfach zu inkonsistent. Manchmal entwickelt man zeitweise
einen richtigen Flow und wenn alles zusammen kommt macht Max Payne 3
auch richtig Laune, aber man erreicht alsbald wieder einen Punkt, wo
man wieder äußerst genervt wird und seine Spieltaktik ernsthaft
überdenken muss. Es ist zB. durchaus möglich, dass ihr eine
Zweihandwaffe mit vollen Magazin mit euch führt, ihr diese dann in
einer Zwischensequenz verliert und dann ein Scharmützel mit
zahlreichen Gegnern ohne Munition in der Standardwaffe beginnen
müsst. Ihr könnt zwar Feinde entwaffnen, aber dafür müsst ihr aus
der Deckung und die Anderen treffen immer! So als wenn ihr einen
Magneten im Arsch hättet! Wegen solcher Situationen fühlt sich das
Spiel altbacken und unmodern an. Es ist Old School-Gaming im negativen Sinn.
Einer für alle. Und alle gegen Max. |
High Production Value
Die Präsentation allerdings, ist auf
dem allerneusten Stand und, wie man es von einem Rockstar Produkt
erwartet, auf allerhöchstem Niveau. Die Charakteranimationen sind
erstklassig, technisch einwandfrei, und die Umgebungsgrafik
authentisch und detailiert. Man muss schon übergenau hinsehen um
hier und da etwas Clipping und matschige Texturen zu erkennen.
Besonders spektakulär sind die Kill Cams, die stets beim letzten
Kill eines Schusswechsels zum Einsatz kommen. Hier sieht man
explizite Einschussstellen, Austrittswunden und die rote Soße
spritzt hektoliterweise. Das ist anfangs extrem episch, nutzt sich
aber im Verlauf etwas ab. Ein Lob muss man auch den englischen bzw.
portugiesischen Sprechern machen: Sie vermitteln unglaubliche
Glaubhaftigkeit und tragen so zur stimmigen Atmosphäre bei.
Multiplayer
Wem der Singleplayer nicht ausreicht,
bekommt auch hier wieder den heutzutage obligatorischen
Multiplayermodus als Kaufargument mitgeliefert. Diesen kann man,
oberflächlich betrachtet, schon mit den vorhergegangen
Rockstar-Spielen, wie Read Dead Redemption und GTA IV, vergleichen.
Das Feature hierbei ist die Bullet Time, welche auch in
Mehrspieler-Matches zur Anwendung kommt. Es ist halt mehr ein
hektisch, chaotischer Zeitvertreib als ein ausbalancierter und
methodischer. Die durchaus abwechslungsreichen Spielmodi umfassen das
normale Death- bzw. Team-Deathmatch, den Gang Wars und Payne-Killer
Modus und sind in ihrer Aufmachung durchaus solide. Ich persönlich,
sehe mich hier nicht überaus langfristig motiviert und werde dieses
Thema wohl nach ein paar Matches mit einigen Freunden zeitnah
abhaken. Es ist halt, wie so oft, Geschmackssache. Es trifft nicht
meinen Nerv, obwohl es, objektiv gesehen, nicht schlecht umgesetzt
wurde.
FAZIT
Das erste Max Payne Spiel in neun
Jahren und man kommt nicht herum sich einzugestehen, dass das Genre,
wie auch die gesamte Industrie sich doch weiterentwickelt hat.
Rockstar erfindet die Serie nicht neu, schafft aber dennoch nicht das
Spiel ganz getreu seinen Wurzeln nach wiederzubeleben. Das neue
Setting kann nach einer Gewöhnungsphase punkten und die Aufmachung,
trotz der überambitionierten Struktur, weiß zu gefallen. Schwächen
in der Story werden durch den gut gezeichneten Charakter der
Hauptfigur ausgeglichen. Die größten Negativpunkte sind leider im
Gameplay zu finden, da sich teils hervorragende Abschnitte leider
immer mit nervigen Trial & Error Passagen abwechseln. Der
Multiplayer ist erstaunlich solide, kann das Paket aber nicht
aufwerten. Was am Ende übrig bleibt, ist ein sehr ambitioniertes
Projekt, das zwar mit AAA-Produktionsaufwand umgesetzt wurde, aber
wohl einfach ein paar Jahre zu spät erschienen ist. Kann man mit Max
Payne 3 Spaß haben? Ja natürlich, aber man sollte etwas Geduld und
einen Faible für Old School-Gaming mitbringen.
Wertung: 6/10
Titel: Max Payne 3
Jahr: 2012
Developer: Rockstar Games
Getestete Version: Xbox 360 (AT)
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